«Arzneischrank Natur»
«Heilkräuter sind Pflanzen, die zur Behandlung von Krankheiten und Linderung von Beschwerden genutzt werden», sagt Britta Pollmann. Der Begriff «Heilkräuter» sei in der Umgangssprache verbreitet und sehr anschaulich. Im pharmazeutischen Sinne würde jedoch konkreter von «Pflanzlichen Drogen» gesprochen werden. Damit seien alle Pflanzen/-teile gemeint, die eine pharmazeutische Wirkung entfalten können.
Schlafmohn gibt Hinweis
Wie lange in der Menschheitsgeschichte schon mit Heilpflanzen gearbeitet wird, sei schwierig zu beantworten. Denn die Quellenlage sei sehr lückenhaft und der Nachweis des Konsums pflanzlicher Drogen beispielsweise in Knochen oder Zähnen nur eingeschränkt möglich – nach Jahrtausenden fast unmöglich. Manche Pflanzen, wie der Schlafmohn, seien schon in der Jungsteinzeit im Gebiet der heutigen Schweiz weit verbreitet gewesen: «Erste Funde in Europa stammen aus dem 6. Jahrtausend v. Chr.» Unklar sei jedoch, ob die Pflanze mit den ölhaltigen Samen damals nur als energiereiches Nahrungsmittel diente oder auch als Heilpflanze oder Droge verwendet wurde.
Griechischer Gott gibt Name
«Der Schlafmohn wurde dem griechischen Gott der Träume und des Schlafes Morpheus zugewiesen.» Von dem leite sich der Name eines Inhaltstoffes, des Morphins/Morphiums, ab, das heute als starkes Schmerzmittel verabreicht wird und in der Schweiz dem Betäubungsmittelgesetzt unterliegt.
Schon früh enorme Kenntnisse
Mit schriftlichen Quellen gäbe es aber sichere Belege, dass Heilpflanzen gezielt bei bestimmten Leiden eingesetzt wurden. Auch die Beschreibung von Symptomen, von Vergiftungen und der Einsatz von Gift zur Todesstrafe seien belegt. Die erstaunliche Ausdifferenzierung und die Beschreibungen der schriftlichen Kulturen lassen vermuten, dass Menschen bereits sehr früh enorme Kenntnisse davon hatten, welche Pflanzen giftig waren, ob sie als Heilpflanze eingesetzt werden konnten und worin ihre «heilende Wirkung» bestand.
Techniken bleiben gleich
«In einer Zeit, als es noch keine moderne Medizin gab, spielten pflanzliche Arzneimittel eine grössere Rolle als heute.» Manche Herstellungstechniken seien bis heute gleichgeblieben, wie das Aufgiessen von Tees. Die Extraktion von Wirkstoffen durch Destillationsverfahren habe im Laufe der Jahrhunderte eine deutliche Erweiterung erfahren. Bereits in der Antike in Ägypten, bei den Griechen und Römern wurden Salben und Essenzen zu medizinischen oder kosmetischen Zwecken hergestellt. «Oder sie dienten der Einbalsamierung von Toten.»
Präziserer Einsatz
Im Mittelalter wäre es üblich gewesen, viele Substanzen zu kombinieren, um damit die vermeintlich bessere Wirkung zu erzielen – und Kranken mehr Geld abnehmen zu können. Mit einem umfangreicheren Wissen über die Wirkmechanismen der Medikamente im Körper seien wir heute in der Lage, medizinische Substanzen – auch die auf pflanzlicher Basis – präziser und wohldosiert einzusetzen.
Schon Kinder sensibilisieren
Auch das Museum für Archäologie Thurgau beschäftigt sich mit dem «Arzneischrank Natur» und sensibilisiert schon Kinder darauf. Beim Kindernachmittag anfangs September konnten sie mit Pollmann im Archäobotanischen Museumsgarten Heilpflanzen ansehen. Beeindruckt seien sie davon gewesen, dass ganz viele Pflanzen als Heilpflanzen wirken können, mal die Beeren, mal die Blätter, mal kleine Samen, mal der Saft der Pflanze und – wenn man mit der Dosierung nicht aufpasse – Pflanzen mit Heilwirkung auch als Gift wirken.
(Jana Grütter)
«Arzneischrank Natur»