«Alles ist wieder einfacher»
Die vergangenen zwei Jahre haben auch die Realität der kirchlichen Gemeinschaft geprägt. Die Pandemie verlangte nicht nur von den Kirchgemeinden, sondern auch von Veranstaltern und den Kirchbürgerinnen und -bürgern ein Umdenken. Gerade in Zeiten, wo das Miteinander und die gegenseitige Rücksichtnahme von Nöten gewesen wären, verhinderte das Virus ein Zusammenkommen und die gemeinsame Unterstützung. Umso mehr wurde in den Thurgauer Kirchgemeinden den Lockerungen und der schlussendlichen Aufhebung aller Beschränkungen entgegengefiebert.
Gut besuchte Gottesdienste
«Die ersten Gottesdienste nach der Lockerung waren extrem gut besucht. Viele Gemeindemitglieder scheinen regelrecht darauf gewartet zu haben», berichtet Pfarrer Lukas Butscher aus der Kirchgemeinde Amriswil von den ersten Wochen, nachdem der Bundesrat die Coronamassnahmen aufgehoben hat. «Wir haben uns sehr gefreut, dass wir wieder ohne Einschränkungen feiern können. Die Lockerungen waren ja absehbar, so hatten wir entsprechend geplant und konnten rasch umstellen», erzählt Butscher. Normalerweise kommen zu den zwei Gottesdiensten jeweils rund 50 Personen. An den vergangenen Sonntagen konnte die 100er-Grenze jedoch jeweils deutlich überschritten werden.
Das gemeinsame Essen fehlte
Für die Amriswiler Jugenddiakonin Tabea Kunz liegt die Freude vor allem in dem gemeinsamen, unbeschwerten Essen, das nun wieder möglich ist. «Das hat wirklich gefehlt und hier wieder eine Lockerheit zu haben, hilft in der Jugendarbeit. Das spürt man auch bei den Jugendlichen», so Kunz. Für Pfarrer Butscher gilt es nun wieder verstärkt in die Verbindlichkeit zu investieren. In Amriswil wurde bewusst auf einen Livestream verzichtet. Die Sonntagspredigt konnte lediglich per Telefon angehört werden. «Gemeinschaft ist digital nicht zu ersetzen, das zeigt sich uns nun deutlich», ist Butscher überzeugt.
Grosse Erleichterung
In der Evangelischen Kirchgemeinde Weinfelden hingegen wurden die Gottesdienste laufend im Internet übertragen. Dennoch wurde die Aufhebung der Massnahmen regelrecht gefeiert. Jugendarbeiterin Claudia Zaugg organisierte für den sonntäglichen Kirchenkaffee ein Guetzlibuffet. Zudem bastelte Zaugg wunderbare Willkommenskarten, welche die Kirchbürgerinnen und Kirchbürger mit nach Hause nehmen durften. «Es gab tolle Gespräche, und die Stimmung war sehr gut», erinnert sich Zaugg. Auch bei der Weinfelder Pfarrerin Esther Baumgartner hat sich Erleichterung ob dem Wegfall der Einschränkungen breitgemacht. «Bei uns in der Seniorenarbeit wird alles wieder einfacher, sei es bei Mittagstischen oder Seniorennachmittagen », sagt Baumgartner.
Keine Zertifikatspflicht mehr
Für Abdankungen bedeute vor allem der Verzicht auf die Zertifikate eine grosse Erleichterung. «Jetzt gibt es keine Diskussionen mehr und ein Abwägen von Sondergenehmigungen für nahe Angehörige», berichtet die Pfarrerin von den Herausforderungen der vergangenen Monate. Sehr gefreut hat sie vor allem, bei Veranstaltungen wieder Leute zu treffen, die zuvor aufgrund der Zertifikate wegbleiben mussten. «Die Zertifikate haben mir persönlich sehr zu schaffen gemacht», so Baumgartner. Sie hat einige Gespräche darüber geführt und für die Senioren eine eigene Sprechstunde angeboten. Zudem gab es kleinere Zerwürfnisse und auch Kirchenaustritte. «Das mit dem Zertifikat möchte ich auf jeden Fall nicht noch einmal erleben», hofft Baumgartner.
(Emil Keller)
«Alles ist wieder einfacher»