News aus dem Thurgau

Noch mehr Impressionen zum BKT

min
27.06.2016
Geistreich, berührend, ermutigend – so lassen sich in drei Worten die Eindrücke vom Sonntag und damit dem Abschlusstag des 17. Internationalen ökumenischen Bodenseekirchentags bündeln. Wer keinen Platz mehr in den 10-Uhr-Gottesdienst in der Reformierten Kirche in Kreuzlingen fand, in dem Margot Kässmann predigte, hatte eine große Auswahl an vielfältigen anderen.

Von Minne Bley

Da gab es einen ökumenischen Familiengottesdienst, ein «Go special – Sie haben 365 ungelesene Nachrichten von Gott» mit Klaus Douglass, eine orthodoxe heilige und göttliche Liturgie mit anschließender Heiliger Taufe, einen syrischen Gottesdienst, ein Hochamt mit Münsterchor und Vokalensemble, ein Frauen- oder Johannitergottesdienst, einen mit Limaliturgie oder einen reformierten Gottesdienst mit palästinenischer und jüdischer Beteiligung. Rund 2000 Christen vieler Konfessionen kamen so am Sonntag in Gebet und Gesang in den Konstanzer und Kreuzlinger Kirchen zusammen.

Konstanz bis Westjordanland

Die Theologin Viola Raheb berichtete von der Situation der Palästinenser im Westjordanland. Von gewaltlosem Widerstand, den Tag für Tag viele leisten, um nicht zu verzweifeln: von spielenden Kindern, die jeden Tag aufs neue in den Kindergarten und die Schule gehen, die Kraft haben, mit Farben zu malen, zu spielen und zu lachen; von Müttern, die dem Leben singen und nicht dem Tod; von vielen jungen Leuten, die in und mit Kunstprojekten die Hoffnung aufrecht erhalten, dass auch sie eines Tages frei und selbstbestimmt als Palästineser in Israel leben können. Bewegend, beklemmend, anrührend.

«Verzweifeln dürfen wir nicht. Das können wir uns nicht leisten.» Die Psychotherapeutin Evi Guggenheim Shbeta, eine Jüdin aus Zürich, die mit einem Palästinenser verheiratet ist, führt anhand des Friedensdorfes Neve Shalom - Wahat al Salam in Israel ein Beispiel an, dass Zusammenleben von Palästinensern und Juden möglich ist: gemeinsam mit Christen und Moslems leben sie in diesem Dorf freiwillig zusammen und üben tagtäglich, Konflikte zu lösen. Sie wollen so ein Modell sein für ein friedliches Zusammenleben der beiden Völker in der Zukunft. «Frieden ist nur möglich, wenn beide Seiten Frieden haben.» Evi Guggenheims Mutter, gebürtige Gailingerin, musste das Dorf am Hochrhein verlassen, als die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen.

Mehr als 400 Menschen sind zur Matinée mit Heiner Geissler gekommen, der sich in seinem aktuellen Buch mit Martin Luther auseinandersetzt und vehement immer wieder an die beiden großen christlichen Kirchen appelliert, die Spaltung zu überwinden und sich wieder zu vereinen. «Die Welt heute wird beherrscht von heidnischen Werten, sie ist fast ausschließlich von Kapitalinteressen bestimmt. Wir brauchen eine ökosoziale, internationale Wirtschaftsordnung.»

Geisslers Geisselung

«So groß wie Sie Luther machen, Herr Geißler, war er gar nicht.» Dr. Volker Leppin antwortet auf Geisslers Geisselung der Rechtfertigungslehre. «Wir haben viel Missbrauch mit dem Sündenbegriff getrieben. Aber die Grundeinsicht bleibt: Ich kann den Sinn meines Lebens nicht produzieren. Der Sinn meines Lebens kann nur von außen geschenkt sein. Das hat schon Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert gesagt.»

«Dank, Anerkennung und Staunen habe ich von vielen gehört, auch von solchen Menschen, die gar nicht in eine Gemeind eingebunden sind», so schildert Schuldekan Martin Lilje Äußerngen von Kirchentagsbesuchern. «Und bei allem, was nicht geklappt hat, möchte ich diejenigen um Nachsicht bitten, die der Meinung sind, sie hätten Nachsicht verdient.» Der Auftakt zum Abschlussgottesdienst um 14 Uhr in der Evangelischen Kirche Kreuzlingen.

Die bei der Eröffnung eingebundenen Artisten, die auf der Slack-line balancierten, tauchten auch im Abschlussgottesdienst noch einmal auf – dieses Mal im Film, der auf eine Leinwand projeziert wurde.

Kirchenpräsident Wilfried Bührer versuchte sich dann an einem Fazit für das christliche Wochenende im Zeichen von «Komm rüber»: «Dankbar bin ich für die Vielfalt, die wir geniessen durften. Es ist vieles gelungen, obwohl es auch immer mal wieder chaotische Elemente drin hatte.» Und als aktiver Sänger, der am gestrigen Chortag teilnahm, sei ihm die ganze Nacht eine Liedzeile aus einem Luthertext nachgegangen: «Gottes Wort + Christi Lehr' vergehen nie und nimmermehr. Ich hoffe, dass dieses Wort weitergeht, dass es sich immer wieder Gefässe schafft, wo es weiterwirkt.»

Mehr Impressionen auf www.ekikon.de und in unserer Bildergalerie.

 

Unsere Empfehlungen

Tafelsilber nicht veräussern

Tafelsilber nicht veräussern

Er ist das «rechtliche Gewissen» des evangelischen Kirchenrats im Thurgau – gerade auch in Fragen rund um die Gebäudeinfrastruktur: Hanspeter Heeb ist es wichtig, dem Kirchengut Sorge zu tragen.
Für ein Stück mehr Lebensqualität

Für ein Stück mehr Lebensqualität

Gut ein Jahr nach dem Beginn des Krieges ist in der Ukraine kein Ende des Konflikts in Sicht. Speziell in der Anfangszeit sprangen viele evangelische Kirchgemeinden in die Bresche, um geflüchteten ukrainischen Familien zu helfen. Nachdem Kanton und Gemeinden mittlerweile viele Angebote aufgegleist ...
Ein Sammler von 150 Glocken

Ein Sammler von 150 Glocken

Glocken hängen im Thurgau nicht nur in Kirchtürmen. Glocken kann man auch sammeln, was Heinz Auer aus Bichelsee fast sein Leben lang getan hat.
Als die grossen Glocken Einzug hielten

Als die grossen Glocken Einzug hielten

Im nächsten Jahr wird das grösste Geläut einer evangelischen Kirche im Kanton Thurgau 100 Jahre alt. Im Jahr 1924 wurden sechs der heute sieben Glocken in einer Prozession zur Bergli-Kirche in Arbon gebracht und aufgezogen.