News aus dem Thurgau

«Spiritual Care» gewinnt an Bedeutung

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28.03.2016
THURGAU. Der Begriff «Spiritual Care» hat im Bereich der Palliativpflege Eingang gefunden. Im Wesentlichen geht es um den Umgang mit den spirituellen Bedürfnissen von Schwerkranken und ihren Angehörigen. Diesen Monat wird das Thema an zwei Veranstaltungen thematisiert.

In der Palliative Care, also der Begleitung und Betreuung von Menschen, die unheilbar krank sind, spielen Fragen jenseits der Materialität oftmals eine zentrale Rolle. «Für den Sterbeprozess ist die Klärung spiritueller Fragen oft eine der wichtigsten Voraussetzungen», sagt Gian Domenico Borasio, Inhaber des Lehrstuhls für Palliative Care an der Universität Lausanne. Dies bestätigt auch Petra Nef, Leiterin von «Palliative Plus», einem interprofessionell arbeitenden mobilen Unterstützungsangebot für Palliativpatienten am Kantonsspital Münsterlingen: «Ein spirituelles Bedürfnis eines Patienten kann eine wesentliche Ressource, aber auch eine Herausforderung bedeuten.» Oftmals seien Hoffnung und Glaube zentrale Aspekte in der letzten Lebensphase, in der Antworten auf bedeutsame Fragen gesucht werden.

Professur in Zürich

Antworten auf die grossen Fragen des Lebens und des Sterbens suchen nicht nur die Patien- ten selber, sondern mit ihnen setzen sich auch Wissenschaftler auseinander. An der Theolo- gischen Fakultät der Universität Zürich existiert seit letztem Herbst eine Professur in «Spiritual Care», besetzt mit Simon Peng-Keller. Bei «Spiritual Care» geht es im Wesentlichen um die seelsorgerische Begleitung von Patienten auf ihrem letzten Lebensabschnitt. Obwohl Spiritualität, Religion und Sterben schon seit jeher eng miteinander verknüpft sind, ist «Spiritual Care» noch eine junge und noch wenig etablierte Disziplin.

Viele offene Fragen

In der Praxis heisst «Spiritual Care», in der gemeinsamen interprofessionellen – ärztlichen, pflegerischen, psychologischen, sozialen und seelsorgerlichen Betreuung – Raum zu schaffen für das Benennen von grossen Lebensthemen. Hierzu gehört auch, dem Patienten die Möglichkeit einer seelsorgerischen Begleitung aktiv anzubieten. Für Petra Nef vom Kantonsspital Münsterlingen können diese grossen Lebensthemen völlig verschieden sein: «Die Patienten stellen sich Fragen wie ‹Was trägt mich, wenn ich mich in dieser Welt haltlos und un- geborgen fühle?› oder ‹Warum hat mich diese Krankheit getroffen?›.» Antworten auf diese schwierigen und offenen Fragen, die das materielle Sein übersteigen, finden die Betroffenen und deren Angehörige oftmals in ihrer Lebensphilosophie oder im Glauben.

Kirche in der Verantwortung

Da die grosse Mehrheit der Bevölkerung im Kanton Thurgau einer der Landeskirchen angehört, steht auch die Evangelische Landeskirche vermehrt in der Verantwortung. Das Tätigkeitsfeld im Bereich der Begleitung von Schwerstkranken hat sich durch die zunehmende Entwicklung der Palliative Care hin zum interprofessionellen Netzwerk auch für Seelsorgende verändert. Es bietet neue Chancen gegenseitigen Verstehens zum Wohl der ganzheitlichen Begleitung Betroffener, die auch die spirituellen Bedürfnisse, Sinn- und Glaubensfragen bewusst einschliesst.

Zwei Tagungen zum Thema

Nächsten Monat finden in der Schweiz zwei Veranstaltungen zum Thema «Spiritual Care» und «Palliative Care» statt. Die Tagungen finden in Appenzell und im Inselspital Bern statt. Pfarrerin Karin Kaspers-Elekes, Seelsorgerin und landeskirchliche Beauftragte für Palliative Care der Evangelischen Landeskirche Thurgau stuft die Bedeutung für die ganzheitliche, seelsorgerliche Arbeit explizit mitumfassende Betreuung von Erkrankten als wesentlich ein.

Die interprofessionelle Auseinandersetzung in Spiritual Care verleiht den bedeutsamen Lebensthemen ein neues Gewicht in der Begleitung von Erkrankten, macht aber auch ihre allgemeine Bedeutung für jeden Men- schen im «ganz normalen Alltag» deutlich. 

 

Veranstaltungshinweise:


Schweizerische Tagung für Spiritual Care, 2. April 2016, Hörsaal Langhans, Inselspital Bern, www.fisg.ch/tagung

9. Hospiz- und Palliativtag Ostschweiz, Donnerstag, 14. April 2016, Aula Gringel, Appenzell, www.palliativeostschweiz.ch 

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