News aus dem Thurgau

Kein Gehör finden

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23.01.2023
Haben Sie Kinder? Dann kennen Sie das. Da ruft man zum Essen, weist darauf hin, dass etwas weggeräumt werden sollte – und nichts passiert. Also zweiter Anlauf – und immer noch passiert nichts. Die Stimme wird lauter, der Ton eindringlicher und dann kommt ein «ja,ja ich komme ...» zurück und weiter passiert nichts.

Nicht gehört werden, kein Gehör finden, wer kennt das nicht. Was in der Familie und/oder in der Beziehung oft alltäglich ist, findet auch in grösseren Zusammenhängen immer wieder statt.

Zuhören – nein danke

 

Wie lange dauerte es, bis die Hinweise zur Klimaveränderung gehört wurden? Mehr als dreissig Jahre wiesen die Spezialisten aus den relevanten wissenschaftlichen Bereichen auf die Veränderungen hin. Sie wurden ignoriert. Mit der Klimajugend und ihren scharf formulierten Anklagen und dem Aushängeschild Greta Thunberg gewann das Thema an Aufmerksamkeit. Mittlerweile zeigt sich das Klima selbst mehr und mehr bedrohlich und verschafft den Hinweisen zunehmend Gehör. Für viele Aktivisten ist das jedoch zu wenig. Aus den anfänglichen Streiks wurden Aktionen, die ein grosses Medienecho finden. Einzelne Länder bewegen sich und der politische Prozess läuft. Weltweit, das hat die Weltklimakonferenz in Ägypten vom vergangenen November gezeigt, ist der Weg jedoch noch lange.

 

Das Klima geht uns alle an. Die damit verbundenen Migrationsströme werden jedoch nach wie vor in alter Manier abgehandelt. Brachte der Krieg in der Ukraine etwas Bewegung ins Thema, so veränderte sich für die «klassischen» Flüchtlinge und Migranten praktisch nichts. Sie stecken hier fest, dürfen nicht arbeiten und verbringen oftmals Jahre mit Nothilfe, wenn sie nicht zurückgeschafft werden können, weil die Situation in ihrem Herkunftsland kritisch ist. Keine Statusänderungen wie bei den ukrainischen Flüchtlingen und damit keine Möglichkeiten zu einer vertieften Integration. Die Stimmen, die sich nun schon ebenfalls jahrzehntelang für diese Menschen einsetzen, sie werden kaum gehört.

 

Ein anderes Thema ist das der Fahrenden. Stellplätze sind kaum durchsetzbar, ihre Lebensweise ist uns Sesshaften suspekt und Beispiele von Fehlverhalten werden auf alle Menschen dieser Gruppe übertragen. Ein weiteres Thema ist dasjenige der zunehmenden Armut in unserem Land. Mit der Entwicklung 2022, wo die Preise für Energie, Lebensmittel und Krankenversicherungen markant gestiegen sind, hat sich die Situation für diese Menschen nochmals verschärft. Auch in diesem Bereich wird vor allem von der Caritas seit Jahren auf die Situation aufmerksam gemacht, die Wirkung ist bescheiden.

 

Man hört, was man hören will

 

Was braucht es, damit man hört? Zuhören ist eine Leistung, die erlernt werden muss. Wir alle bewegen uns im Feld der eigenen Interessen. Es ist gewissermassen die persönliche Bubble, wo das wahrgenommen wird, was einem Nahe ist. In der eigenen Komfortzone sind wir hellhörig und verbinden uns auch gerne mit Menschen, die gleiche oder ähnliche Ansichten haben. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, problematisch wird es dann, wenn das, was ausserhalb unserer Interessen liegt einfach ignoriert wird.

 

Zuhören lernen – dringend

 

Man spricht gegenwärtig viel von der Krise der Demokratie. Und tatsächlich ist die Demontage dieser Gesellschaftsform schon recht weit fortgeschritten. Politische Führungspersönlichkeiten, die ihre Weltanschauung für massgebend halten, nehmen zu. Der Prozess, welcher zur Bildung demokratischer Staatsformen führte und zu einem grossen Teil auf der Einbindung anderer Ansichten basierte, ist mehr und mehr gefährdet. Es beginnt bei mir persönlich. Bin ich in der Lage mit anderen Ansichten umzugehen? Kann ich Kompromisse schliessen und dabei offen bleiben für die damit verbundene Entwicklung? Oder will ich gar nichts mehr hören von all dem Zeug und einfach meinen Frieden haben? Hören Sie mich?

 

Heinz Mauch-ZĂĽger

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