News aus dem Thurgau

«Christen akzeptierten die Sklaverei»

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25.10.2022
In seiner Maturaarbeit hat Lukas Gerber untersucht, was die Bibel zur Sklaverei sagt. Christen waren demnach nicht kritisch, sondern befürworteten Sklaverei teilweise. Auch heute noch setzten sie sich zu wenig stark für Menschen in Drittweltländern ein, bemängelt der Maturand.

Herr Gerber, für Ihre Maturaarbeit haben Sie sich mit der Frage befasst, welche Zusammenhänge es zwischen Sklaverei und Christentum gibt. Was hat Sie bei Ihren Recherchen am meisten überrascht?
Für mich ist es erstaunlich, dass die Christen früher keine Probleme mit der Sklaverei hatten. Sie haben die gleiche Bibel gelesen wie wir und haben die gleichen Gottesdienste gefeiert. Trotzdem war die Sklaverei akzeptiert. Es gab nur ganz wenige Christen, die sich gegen die Sklaverei gestellt haben. Viele Christen haben gar mit der Bibel begründet, warum Gott Sklaverei befürwortet.

Bitte?
Ich habe in meiner Arbeit recherchiert, was die Bibel zur Sklaverei sagt. Gefunden habe ich praktisch nichts. Weder Jesus noch Apostel wie Paulus haben sich gegen die Sklaverei ausgesprochen. Viele haben das dann so gedeutet, dass Jesus oder Gott offenbar nichts gegen Sklaverei hat. Das stimmt für mich nicht. Jesus wollte die Herzen der Menschen berühren und stand für Nächstenliebe ein. Beides lässt sich nicht mit Sklaverei vereinbaren.

Haben Sie in der Bibel denn eine Stelle gefunden, die Sklaverei explizit befürwortet?
Manchen Christen sehen einen Beleg dafür in der Geschichte von Noah und Ham. Darin verflucht Noah Ham und dessen Nachkommen zu «Knechten aller Völker». Und weil Ham nach späteren Deutungen der Stammvater Afrikas wurde, nahmen Einige diese Geschichte als Beleg, dass Menschen in Afrika Knechte seien und sie entsprechend versklavt werden dürften.

Warum hat sich in der frühen Geschichte kaum ein Christ gegen die Sklaverei ausgesprochen?
Sklaverei war ein Fundament des damaligen Wohlstands. Es ging um wirtschaftlichen Profit. Der Glaube spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Wer an der Sklaverei rüttelte, rüttelte am Wohlstand. Das wollte offenbar niemand. Trotzdem ist es mir wichtig, nicht mit dem Finger auf die Leute von damals zu zeigen. Es stellt sich die Frage: Sind wir heute besser?

Sind wir es?
In meinem Schlusswort habe ich mich gefragt, was wohl unserer Generation in 1000 Jahren vorgehalten wird. Noch immer werden Menschen in Afrika oder Asien für unseren Wohlstand ausgebeutet. Was tun wir Christinnen und Christen dagegen? Auch heute noch schauen die meisten weg. Dabei sollten wir uns für diese Menschen einsetzen.

Für einen 20-Jährigen ist es unüblich, sich so intensiv mit der Bibel auseinanderzusetzen. Wie kamen sie dazu?
Ich bin überzeugter Christ und der Glaube spielt in meinem Leben eine zentrale Rolle. Ich werde nächsten Sommer mit dem Theologiestudium in Zürich beginnen, später möchte ich als Pfarrer arbeiten.

Andreas Bättig/ref.ch

Maturarbeit von Lukas Gerber

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