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Kaffee, Essig und Homöopathie

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15.09.2022
Homöopathie, Hausmittel und weitere alternative Behandlungen bekommen bei Krankheiten oder Beschwerden immer grösseres Gewicht. Nicht nur bei Menschen, auch bei Nutz- und Haustieren wird die Schulmedizin kritischer hinterfragt, gezielter eingesetzt und durch natürliche Methoden ersetzt oder ergänzt. Kürzlich war zu lesen: Die Gesamtmenge vertriebener Antibiotika zur Behandlung von Tieren hat weiter abgenommen. In den letzten zehn Jahren betrug der Rückgang 53 Prozent.

Ein Landwirt, der sich bewusst mit der Thematik auseinandersetzt, ist Stefan Tanner aus Stein. Er betreibt seinen Milchwirtschaftsbetrieb nach biologischen Grundsätzen. Das bedeutet Verbote oder strenge Vorschriften bezüglich des Einsatzes von chemischen Produkten oder Antibiotika. Deshalb setzt der Landwirt bei Anzeichen einer Erkrankung auf homöopathische Produkte. «Wichtig ist, die Tiere gut zu beobachten, um bei ersten Symptomen reagieren zu können. Oft lassen sich schwere Verläufe dadurch vermeiden,» betont Stefan Tanner. Er macht gute Erfahrungen mit dem frühzeitigen Einsatz homöopathischer Mittel, betont jedoch, dass er kein Experte sei. Wer als Landwirtin oder Landwirt ganz auf Homöopathie setze, brauche viel Zeit und Erfahrung, müsse jedes Tier genau kennen, sorgfältig beobachten und kleinste Veränderungen wahrnehmen, um das passende Mittel zu finden, erklärt er.

Kaffee, Essig und Ziegen als Medizin

Auch früher oft verwendete Hausmittel werden wieder angewendet. So hilft zum Beispiel Kaffee gegen Durchfall, Essig bei Verdauungsproblemen und wer Geissen hat, quartiert sie bei Kälbern mit Durchfall ein, was zu einer raschen Heilung führt. Selbst die «Bschötti» profitiert von homöopathischen Mitteln. Nützliche Bakterien werden gefördert, die Gülle dadurch belebt und reicher an natürlichen Nährstoffen.

Sensibilisierung gegenüber Antibiotika

Bei schweren oder chronischen Krankheiten der Tiere wird der Einsatz von Antibiotika trotzdem manchmal unumgänglich. Allerdings sucht der Tierarzt zuerst nach dem Erreger, damit das passende Mittel gezielt eingesetzt werden kann. Zudem muss er jede Antibiotikaabgabe in einer Datenbank registrieren, um Missbrauch zu verhindern. Dass die Sensibilisierung bezüglich Antibiotikaeinsatz sowohl bei Menschen als auch bei Tieren heute gross ist, findet der Biolandwirt gut. Nur so könne die Gefahr von Resistenzen oder unerwünschten Nebenwirkungen vermindert werden.

Robuste Tiere mit eigenem Charakter

Doch eigentlich beginne das Tierwohl bereits viel früher, erklärt Stefan Tanner. «Die meisten meiner Kühe kommen aus eigener Zucht, wobei ich mich seit langem auf nur drei Tierlinien beschränke. Deren Nachkommen verjüngen oder ergänzen meinen Viehbestand laufend. Damit mache ich gute Erfahrungen. Die Tiere der Rassen Brown Swiss und Red Holstein harmonieren gut und sind widerstandsfähig. Seit zehn Jahren füttere ich kein Kraftfutter mehr. Natürlich geben meine Kühe weniger Milch als Hochleistungstiere, doch sie sind robust, fruchtbar und haben ein gesundes Immunsystem. Mir ist ein artgerechter Umgang mit den Tieren wichtig. Ich behandle sie mit Achtung und Wertschätzung. Jede meiner Kühe hat ihren eigenen Charakter und möchte etwas anders behandelt werden, was bestimmt zum Wohlbefinden der Tiere beiträgt.»

Nach dem Gespräch mit dem Biobauern wird mir klar: Das Umdenken in Bezug auf die Behandlung von Krankheiten verläuft in der Human- und der Tiermedizin praktisch parallel. Und genau wie die Tiere möchten auch wir achtungsvoll behandelt werden, Zuwendung und Wertschätzung spüren.

Judith Husistein