News aus dem Thurgau

Man spricht Deutsch

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31.08.2022
Die Kirchgemeinde Olten, Pfarrkreis Dulliken, bietet zusammen mit Partnern «Trainings Deutsch» für Migranten und Migrantinnen an. Alle zwei Wochen treffen sich die Fremdsprachigen im Kirchgemeindehaus und tauschen sich auf Deutsch aus. Seit März nehmen auch Ukrainerinnen teil.

«Wie alt bist du?», fragt Michael Spangenberg die junge Ukrainerin. «Ich bin», setzt sie an, stockt und sucht nach den richtigen Worten. «Ja», ermutigt sie der Kursleiter. «Ich bin 63», sagt sie schliesslich und alle am Tisch lachen los, denn sie hat sich mindestens um 20 Jahre vertan. Für den Kursleiter ist dies kein Problem. «Versuchen wir es nochmals», ermuntert er sie.

Im Sprachtraining im Kirchgemeindehaus Dulliken wird viel gelacht, gescherzt und geplaudert. Mit dem Ziel, besser Deutsch zu beherrschen. Deutsch sei schwierig, sagt eine der Ukrainerinnen. «Sehr schwierig.» Wenn die Verkäuferin sie im Laden etwas fragt, fühle sie sich oft verloren.

Seit zwei Jahren führt der reformierte Pfarrkreis Dulliken in Kooperation mit der Gemeindebibliothek und dem Sprachcafé an jedem zweiten und vierten Mittwoch im Monat ein Deutschtraining im Kirchgemeindehaus und in der Bibliothek durch. Gedacht sind diese Trainings für Menschen mit Migrationshintergrund. 25 heimische Freiwillige bieten ihnen die Möglichkeit, in Kleingruppen miteinander auf Deutsch zu kommunizieren. Das Gesetz schreibt vor, dass die Migranten Sprachkurse belegen. «Doch diese sind teuer, die Kosten belasten das kleine Budget», sagt Sascha Thiel, Pfarrer in Dulliken. «Hier sind die Trainings gratis, die Leute schätzen es, dass sie nichts bezahlen müssen.» Die Konversation in Deutsch sei eigentlich als Begleitung zu einem Sprachkurs gedacht, erklärt Thiel. Damit sich die Mütter und Väter ganz auf den Kurs konzentrieren können, werden die Kleinen während dieser Zeit betreut.

31 Migrantinnen und Migranten aus den verschiedensten Ländern
Sascha Thiel kam zu diesem Projekt wie die Jungfrau zum Kinde, wie er erzählt. Im März 2020 begleitete der Pfarrer zwei Migranten in die Gemeindebibliothek zum «Sprachcafé», das die Integrationsbeauftragte der Gemeinde Dulliken, Esther Bischof, leitet. Dort fragten ihn die Teilnehmenden, was die Kirche denn für Migranten und Migrantinnen anbiete. «Nichts», musste sich Thiel eingestehen. Er beschloss, dies zu ändern.

Die 31 Migranten und Migrantinnen stammen aus den verschiedensten Nationen: Italien, Spanien, Türkei, dem Balkan, Kamerun und Äthiopien. Sogar ein vietnamesischer IT-Spezialist, der Französisch spricht, kommt regelmässig.

Seit März besuchen die Frauen und Kinder aus der Ukraine das Sprachtraining. 47 Flüchtlinge aus der Ukraine leben zurzeit in der Region Dulliken. Zu Beginn des Abends teilt Sascha Thiel die Teilnehmenden ein. Die Stimmung ist aufgeräumt. Die einen verlieren ihre anfängliche Scheu, wagen die ersten deutschen Brocken. Andere beherrschen die Sprache schon rudimentär und merken im Gespräch, welche Fehler sie noch machen. Im Training geht es nicht nur um die Sprache, sondern um den Austausch und um alltägliche Fragen, wie zur AHV-Nummer, zum Finden eines Hausarztes und eines Jobs, zum Kauf eines SBB-Billetts oder zur Steuererklärung. Samira Verdotti, die aus Usbekistan stammt und Russisch spricht, hilft da gerne weiter. Sie ist froh, dass sie hier andere in ihrer Freizeit unterstützen kann. Die Freiwilligen seien ein grosser Expertenpool und würden immer wieder mit Lösungen überraschen, erklärt Sascha Thiel.

Die Dulliker Integrationsbeauftragte, Esther Bischof, ist vom Angebot begeistert. Sie findet es wichtig, dass die Kirche sich hier einschaltet und mithilft. Das habe auch der Kanton beteuert. Mit ihren Freiwilligen könne sie da vieles ausrichten. «Geht nicht» gibt es für Sascha Thiel und Esther Bischof nicht. Die Migrantinnen und Migranten bräuchten keinen Businessplan oder lange Amtswege, sondern konkrete Lösungen vor Ort. Die Integration beginnt mit der Sprache, sind die Kursleiter überzeugt.

Die Ukrainerinnen versuchen sich an den nächsten Sätzen. «Es wäre natürlich einfacher, ihr Schweizer würdet auch etwas Ukrainisch lernen », witzelt eine. «Wir könnten es euch zeigen und hätten euch viel zu erzählen.»

Tilmann Zuber, kirchenbote-online

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