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Schönheit und Stille

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10.08.2022
«Würde mich jemand fragen, was mich am tiefsten beruhigt, ich antwortete ihm: Schönheit und Stille. Gott muss unsagbar schön sein.» Josua Boesch wurde 1922 in Niederweinigen geboren. Er lernte zuerst den Beruf des Gold- und Silberschmieds. Danach studierte er Theologie und arbeitete 28 Jahre als Pfarrer.

Anschliessend lebte er in einem Eremitenkloster und daraufhin in einer benachbarten Einsiedelei in der Toskana. 1999 kehrt er in die Schweiz zurück. Josua Boesch wird 90 Jahre alt und stirbt 2012 in Zürich. In der Toskana hat er seine Kunst weiterentwickelt. Er mischte gegen die Regeln der Goldschmiedekunst Gold und Silber mit Kupfer und Messing. In seinen Werken steht Gold für Gott, Silber für den Menschen, Kupfer für das Alltägliche und Messing für das Leidvolle – alles mischt sich, wie im realen Leben auch.

Als Hintergrund für seine Werke wählt er Steine, Ziegel, Keramik, Holzscheite und Wurzeln. Seine Beheimatung in der reformierten Kirche und sein spezifisches Handwerk führen dazu, dass er nicht bei den ostkirchlichen Ikonen ansetzen kann, sondern eine neue Art von Ikonen entwickelt. Seine Kunstwerke entstehen ebenfalls aus dem Gebet und der Kontemplation. Bei der Entwicklung seiner Kunst kommt er zur Überzeugung, dass das Vollendete gerade in der Begrenztheit des Künstlers, in dem Wenigen, das ihm geschenkt ist, sichtbar werden will. Die Metalle, die Josua Boesch im Feuer schmiedet, widerspiegeln eine ungeahnte Schönheit, die über sich hinausweist. Genau das ist das Kennzeichen von Ikonen: es sind Bilder, die über sich hinausweisen, die Fenster zur Ewigkeit sind.

Das durchbrochene Kreuz – eine Ikone von Josua Bösch

Angeregt von dem Kreuz des Heiligen Franziskus in der Kirche St. Damiano, einer Kreuzikone, auf der der auferstandene Christus zu sehen ist, schmiedet Josua Boesch ein Kreuz, in dem der Auferstandene als Leerstelle unsichtbar und sichtbar zugleich ist. Er schreibt dazu: «Dreieck – Schale – Kreis, Figur des aufrechten Menschen, wenn Gott und Mensch wieder eins sind. Ureinfach, eindeutig und klar. So sind wir gemeint, von Anfang an. Aufrecht, nicht gekrümmt oder gebeugt. Nicht gekreuzigt, nicht Opfer. Auferstanden… Geheimnis der Leere! Man beginnt wieder zu atmen. Alles ist wieder offen. Der Wind bläst hindurch. Ein heiliger Wind. Man spürt die Frische wie Morgenluft. Beginnt es zu dämmern? Beginnt etwas Neues? Ein neues Denken? Ein neues Begegnen?

Die Metalle, die Josua Boesch im Feuer schmiedet, widerspiegeln eine ungeahnte Schönheit, die über sich hinausweist.

Da stehen wir jetzt mit leeren Händen, wie ER in der Ikone. Er formt sie zur offenen Schale, bereit für die Hostie. Um sie zu teilen mit uns und mit allen.» Der Auferstandene ist ein zentrales Motiv in der Kunst von Josua Boesch. Der Auferstandene vermittelt Lebensfreude, scheint selber zu tanzen und ermutigt «auferstehungsleicht» zu werden. Josua Boesch betonte die Auferstehung – nicht nur mit einem einzigen Bild wie sonst traditionell bei Kreuzwegen. Josua Boesch wollte nicht bei der Kreuzigung stehen bleiben. Er wollte weder Christus noch den Menschen als Opfer beschreiben, sondern die Befreiung, die Auferstehung hervorheben. Er wollte das Leben und die Auferstehung betonen und die Kraft zeigen, die Gott dem Leben von jedem Menschen schenkt, die Kraft, durch die Jesus den Tod überwunden hat und auferstanden ist. So eine Lebenskraft, Widerständigkeit und Lebensfreude will Gott uns allen schenken.

Doris Engel Amara, Pfarrerin in Wald AR